Storytelling in Radio und Podcast
/0 Kommentare/in Unternehmenskommunikation/von Uwe WalterStorytelling Radio & Podcast
Wer einmal in der Storytelling Masterclass war, ist danach „lebenslang“ im Storytelling Masterclass Alumni Club. Dort bilden wir uns sechsmal im Jahr kostenlos weiter – um auf dem Laufenden und miteinander in Kontakt zu bleiben.
In diesem Post zeigen wir euch drei kleine Ausschnitte aus einem unserer virtuellen Alumni Meetings, um euch einen kleinen Einblick zu geben. Es ging um das Thema „Kopfkino – Was gutes Storytelling im Radio und beim Podcast bewirken kann.“
Wie lerne ich meine Hörer kennen?
Sigi Sommer war der bekannteste Journalist der Münchner Abendzeitung. Der Unterschied zu seinen Kollegen? Er war nie im Büro. Anstatt dessen hat er seine täglichen Artikel draußen geschrieben. Er saß im Café, im Biergarten, redete mit den Menschen. Und jeder Leser der Münchner Abendzeitung hatte das Gefühl, dass in dieser kleinen Kolumne Leben ist – von Menschen, von draußen.
Wenn ich als Moderator oder Redakteur einer Sendung rausgehe und mit Menschen rede, hat das einen großen Einfluss auf mich. Ich muss dann aber auch einen Raum der Transformation haben, der Anpassung.
Will man Radio oder Sendungen wirklich verbessern, ist das größte Geheimnis die Begegnung mit dem Antagonisten, also mit dem Gegenhandler. Der Protagonist bin ich, ich handle, mache zum Beispiel einen tollen Podcast. Um wirklich gut zu werden und gute Geschichten zu erzählen, muss ich mich mit der anderen Meinung, dem Gegenüber auseinandersetzen.
Jetzt stellt sich die große Frage:
– Wie lerne ich die Hörer kennen?
– Auf welche Weise kann ich das systematisieren?
– Was ist das Schöne an dieser Person?
– Was liebt diese Person? Die Träume dieser Person?
– Wo sind ihre Herausforderungen? Was sind ihre Schmerzen?
Und für mich von großer Bedeutung und immer eine magische Storytelling-Frage:
Sag mir, was du liebst und wo Du an deine Grenzen kommst?
Bei dem Punkt „an die Grenzen kommen“ wird es sofort wahnsinnig interessant und charaktervoll.
Ideen für Zuhörer*innen
- Wer ist die Person?
- Was ist das Schöne an ihr?
- Was liebt sie?
- Ihre Träume?
- Ihre Herausforderungen?
- Was sind ihre Schmerzen? Ihre Grenzen?
- Wie können wir ihr zuhören? Der Person eine Bühne geben?
- Wie helfen wir der Person sich gut zu fühlen und sie abzuholen?
Hier kannst Du mit einem Klick die Storytelling Fragen für Zuhörer in Radio und Podcast gratis herunterladen.
Wenn ich diesen Prozess mit Radiosendern oder in Unternehmen durchführe, findet das in umfassenden Workshops statt. Beim Radio nehmen wir bereits versendete Stücke, schneiden diese neu zusammen und produzieren sogar komplett neue Stücke in einem anderen Stil. Und die führen wir Menschen vor.
Beim großen Antenne Bayern Relaunch haben wir zum Beispiel ganz viele Befragungen gemacht – bei bestehenden Hörern und bei Hörern von anderen Sendern, die wir gerne für uns gewinnen würden. Wir haben ihnen alles vorgespielt – jeden Moderator, jede Stimmung, alle Inhalte. Und haben dabei zum Beispiel auch beim Wetterbericht fünf verschiedene Varianten angefertigt, um herauszuhören: welche spricht den Hörer am meisten an?
Du musst folgendes wissen, sonst eierst Du rum: Ohne Kunden kein Erfolg.
Deshalb ist es ja auch so genial, wenn ich einen Podcast mache: Ich kann mich selber erzählen. Ich kann selbst Geschichten erzählen oder ich habe jemanden vor dem Mikro, eine andere Person. Oder, was bei Clubhaus jetzt interessant ist, ich hole mir acht Leute zum Thema Storytelling. Und rede mit acht verschieden Menschen auf der Bühne darüber, was ja multipersonal ist. Vielleicht ist sogar noch ein Gegner dabei, der es gar nicht interessant findet und dann kommen noch Follower auf die Bühne.
Wie erzähle ich Heimat?
Klassische Radiosender haben immer eine Beziehung zum Sendegebiet. Sie heißen Antenne Niedersachsen, Antenne Bayern, WDR oder SWR.
In einer tiefenpsychologischen Studie in Kärnten (Österreich) haben wir herausgefunden, was die Leute im Radio auch hören wollen – nämlich ihre Beziehung zur Heimat. Sie wollen wissen, dass sie an einem tollen Ort leben. So ein bisschen wie „unser Ort ist besonders oder schöner als der andere Ort“.
Jetzt geht es nicht darum, das Thema marketingmäßig und subjektiv zu überladen. Sondern darum, das Besondere, den USP herauszuarbeiten. Warum ist zum Beispiel NRW einzigartig?
Das ist beim Podcast natürlich anders, weil ich einen Podcast überall empfangen kann. Hier muss ich mir imaginär überlegen: Was ist eigentlich das Territorium, auf dem ich spiele? Das ist eine bedeutende Entscheidung und eine sehr wichtige Frage.
Die Sprache
Da sind meine Ideen: Wie sind wir hier? Was ist die Sprache in Sachsen oder Thüringen? Wie leben wir hier, was sind die Werte?
Ein großes Thema ist zum Beispiel: Die Schweizer sprechen Schwyzerdütsch. Im Schwyzerdütsch fühlt man sich zuhause. Aber geh mal rüber nach Berchtesgaden. Jedes Dorf hat eine andere Sprache, eine andere Form des Dialekts und die Leute wollen genau das hören. Es ist wichtig für sie.
Ich erinnere mich, dass Antenne Bayern anfangs überhaupt nicht bayerisch geklungen hat – null. Das sollte klingen wie für jedermann und war künstlich draufgesetzt. Dabei ist es so wichtig. Wie erzähle ich meine Heimat, meine Beziehung zu meinem Land – die mir auch das Geld dafür geben. Wie sind unsere Werte da drinnen, wo sind wir komparativ, wo sind wir vergleichbar oder besser – Superlative.
Besonderheiten aus der Region
Oder was auch süß ist, wir haben vielleicht die schlechteste Fußballmannschaft Deutschlands. Es gab mal einen wundervollen Artikel in der ZEIT von der erfolglosesten Fußballmannschaft Deutschlands – die Verkleinerungsform. Es geht nicht einzig um das Größte. Aber tatsächlich orientieren sich Menschen immer, wollen wissen, wie sie besser vorankommen. Wir sind Selbstoptimierungswesen.
Und dann ist auch immer von Bedeutung: Wie erkenne ich mich wieder? Wie erkenne ich mich in der Heimat wieder?
Ideen zu Heimat erzählen
- Wie sind wir hier? Leben wir hier?
- Wie sind unsere Sprachen?
- Wie sind unsere Werte? (Beispiele geben)
- Wo sind wir komparativ? Wo sind wir superlativ? Und wo diminutiv?
- Wie erkenne ich mich hier wieder? (Rückkopplungen)
- Wie entwickeln wir unsere Heimat weiter?
Hier kannst Du mit einem Klick die Storytelling Fragen zur Heimat gratis herunterladen.
Eine Tante von mir guckt zum Beispiel gerne K11 – eine Krimiserie, die in München gedreht wird. Und sie sagt, sie liebt es auch, weil sie alle Locations wiederkennt. Also müssen wir uns fragen: Wie erkenne ich im Radio, ob das Radio auch für mich gemacht ist, wenn ich in Hamburg oder in Lüneburg lebe? Das hören die Menschen am Sound.
Die Hörer lieben es, wenn möglichst viel reportagig erzählt wird, so dass ihre Heimat lesbar wird. Deshalb brauchen wir Formate im Programm, in denen wir Heimat erzählen. Wo wir die Stimmen der Menschen abbilden, sie zu Wort kommen lassen.
Ich durfte schon bei vielen Senden die On Air Promotion weiterentwickeln. So ist zum Beispiel bei Antenne Bayern die Idee der Heimathymne entstanden.
Oder wir sammeln authentische O-Töne: „Es ist so schön, in Bayern zu leben, wenn ich morgens mit dem Rad an der Isar entlang fahre.“ Man muss versuchen, die Heimat zu erzählen. Nicht nur zu behaupten „Wir lieben Bayern“, sondern das auch wirklich zu belegen.
Wie werden Songs zu Heldenreisen?
Ein weiterer Bestandteil beim Storytelling im Radio ist natürlich Musik. Da sagen viele „Was hat das jetzt mit der Heldenreise zu tun?“
Im Prinzip sind alle 200 oder 300 Lieder, die im Radio im klassischen Rotationsprinzip gespielt werden, kleine Heldenreisen.
Die Bedeutung von Songs verstehen
Es gibt eine Webseite namens songfacts.com. Hier kann man nahezu jeden Song eingeben und findet Seitenweise Datensätze. Außerdem gibt es weitere Links und Infos zu allem, was der Künstler jemals über diesen Song erzählt hat und was historisch darüber bekannt ist.
Normalerweise interessiert es die Musikredakteure in der Redaktion gar nicht – für sie ist Musik oft nur ein BPM-Baustein. Wie ein Brikett, das man in den Kamin wirft. Nach dem Motto: “Der Kamin muss ja brennen, also werfe ich Lieder rein und der brennt dann durch.” Dabei hilft einem der Musik Computer, damit es zu einer gewissen Reihenfolge kommt – ein speziell aufgesetztes System.
Aber es ist die Aufgabe des Storytelling, immer wieder Seele in solche automatisierten Systeme zu bringen. Zu überlegen
„Welches Lied täte jetzt gut?“.
Wenn es ein Morgen ist und es regnet, vielleicht weint der Himmel, vielleicht weint meine Seele, weil es Montagfrüh ist und ich denke mir „Was für ein dunkler Tag, es ist kalt und unwirklich“. Aber: Ich fühle mich gerne wohl.
Jetzt kann ich im Narrativ über ein Semantikprogramm schauen, welches Lied da gut reinpassen würde. Sowohl von der Melodie, damit die Leute eine Rückkopplung haben und ich sie aufsteigen lasse – was im heutigen Programm leider nur selten stattfindet. Das Talent wäre da, weil die Musikredakteure ja ein unglaubliches Musikwissen und Musikliebe in sich tragen.
Was kann man bei der Musik mit Storytelling machen?
Ideen zur Musik
- Die Geschichte des Songs
- Geschichte des Künstlers
- Emotionale Geschichte, wie der Song entstanden ist
- Reaktionen von Menschen, was der Song für sie bedeutet
- Grund, warum wir den Song jetzt spielen: Chronobiologie, Anlass
- Geschichte, wie wir den Song mit der Seele der Zuhörer verbinden
- Songs für Menschen und ihre Geschichte
Hier kannst Du mit einem Klick die Storytelling Fragen zur Heimat gratis herunterladen.
Man kann die Geschichte des Songs erzählen. Man könnte zum Beispiel sagen:
Erinnert ihr euch an eure Jugend – an eure engsten Freundinnen, euren Lieblingsplatz im Freibad und die langen Abende am See? Oder an euren letzten Liebeskummer?
Dann habe ich eine ganz andere neuronale Verbindung, der Song bedeutet mir wieder viel mehr. Diese Methode nennt man auch Pre-Selling: man baut eine Rampe, damit das Lied ganz anders auf die Hörer wirken kann.
Oder ich erzähle die Geschichte des Künstlers, oder von Menschen, die Reaktionen auf den Song hatten. Bei Songfacts gibt es beispielsweise unter dem Songeintrag oft hunderte von Kommentaren von Menschen, die erzählen, was sie mit dem Song assoziieren.
Das heißt: hier habe ich einen Fundus von Stories, die ich erzählen kann – ein echter Goldschatz. Ich war überrascht, dass die meisten Radioleute davon noch nie gehört haben. Das hängt damit zusammen, dass Formatradio einen gewissen Status Quo hat, einen gewissen Workflow – und dass man gar nicht mehr wirklich an die Sachen rankommt.