Design Thinking Workshop an der Stanford Universität
/0 Kommentare/in Tools & Tipps/von Uwe WalterDesign Thinking Prozess
Design Thinking Workshop an der Stanford Universität
Kennengelernt habe ich die Methode bei einem Design Thinking Workshop an der Uni Liechtenstein bei Professor Larry Leifer von der Stanford University. Und gleich verstanden:
Design Thinking ist nicht nur ein Methodenbündel, sondern eine Lebenseinstellung.
Dem zugrunde liegt die Haltung, Menschen zu mögen. Zu sagen: Jeder Mensch ist wichtig. Jedes Team kann kreativ sein – wie bei den Fab Four, den Beatles. Kein einzelner Beatle wäre so berühmt geworden, wie die vier zusammen. Weil sie sich in ihren Talenten und ihrer Kreativität optimal ergänzt haben.
Besuch bei Larry in Stanford
Nach der Veranstaltung war ich so fasziniert, dass ich Larry in Stanford besucht habe. Er hat mich in ein Projekt seiner Klasse ME 310 (ME steht für Mechanical Engineering) eingeladen. Diese hat viele Kooperationen mit großen Konzernen wie BASF, Philipps oder IKEA. In Workshops beschäftigen sich die Teilnehmer im Sinne von Design Thinking mit Fragestellungen der Industrie.
Meine Erkenntnisse als Coach über den Design Thinking Prozess, jeden Schritt, jede Phase und die Magie der Innovation möchte ich heute gerne mit Dir teilen.
Wie geht Design Thinking?
Wie entwickele ich etwas für einen Kunden? Und wie setze ich diesen Kunden radikal in den Mittelpunkt? Indem ich ihn definiere und ein Interview mit ihm mache. Ihn kennenlerne und ihn frage, welche Probleme er hat – oder wie er zu einem bestimmten Problem, einer Herausforderung steht.
Aus diesem Kennenlernen des Kunden, diesem hemmungslosen Hinhorchen, diesem tiefgründigen Verstehen, was der Kunde will (und wie er es will), kann ich Lösungen ableiten. Aber zuerst muss ich verstehen, wie er handelt, denkt und fühlt. Empathie spielt bei jedem Design Thinking Prozess eine bedeutende Rolle.
Ein berühmtes Design Thinking Beispiel:
Es kommt immer wieder vor, dass Kinder Schwierigkeiten mit CT Untersuchungen haben. Der umlaufende Elektromotor und der Scanner, der sich in einer Turbine dreht, machen solch einen Lärm, dass die Kinder auf der Trage Ängste bekommen. Sie weinen, sind verzweifelt und wollen nicht in das CT geschoben werden.
Das führt dazu, dass die betriebswirtschaftliche Kalkulation nicht mehr funktioniert. Würde man für eine sinnvolle Auslastung beispielsweise jede halbe Stunde einen neuen Patienten ins CT schieben, ist das mit weinenden Kindern natürlich nicht mehr möglich – und das Gerät amortisiert sich nicht.
Also hat man beim Design Thinking Prozess überlegt:
Was müssen wir tun, damit die Kinder mit dem CT besser klarkommen?
Bei Gesprächen mit den Kindern haben diese erzählt, dass sie Angst vor dem Gerät haben, weil sie nicht wissen, was mit ihnen passiert. Also hat man eine Geschichte erfunden und die CTs bemalt, zum Beispiel wie ein Schiff mit einem Bullauge. Dann wurde den Kindern ein Spiel passend zur Bemalung angeboten, um sie von ihren Ängsten abzulenken.
Ein schönes Beispiel von Astrid Piskora (CSR, Disney):
Noch besser hat es Disney im Jahr 2019 im Deutschen Herzzentrum München umgesetzt, um Kindern die Angst vorm MRT (Kernspin) zu nehmen. Hier kommen den Kindern Disney Helden zur Hilfe.
Während der Untersuchung können die Kinder über eine spezielle VR-Brille (ohne Metallteile), beliebte Disney Serien und Filme anschauen. Die Helden erscheinen den Kindern durch die Video-Brille wie auf einer Kino-Leinwand, die drei Meter entfernt steht. Bereits vor der Untersuchung dürfen die Kinder einen Disney Film aus der DVD-Sammlung aussuchen und werden so vor der bevorstehenden Untersuchung auf schöne Gedanken gebracht.
Beide Bilder ©The Walt Disney Company (Germany) GmbH
Design Thinking anwenden
Natürlich können wir Design Thinking auch nutzen, um andere Dinge als „nur“ Industrieprodukte zu entwickeln. Wir könnten das Prinzip anwenden, um Filme zu entwickeln.
Ich kann zum Beispiel Ehepaare befragen, wie sie Partnerschaft erleben, was sie unter Liebe verstehen, wie sie Intimität und Gespräche erleben. Wie teilen sie ihren Lebensraum miteinander? Auf welche Weise verbringen sie Zeit miteinander? Wie setzen sie ihre Lebensträume um? Und wie nehmen sie wechselseitig Energien und Nähe wahr?
Aus diesen Befragungen der Zielgruppe kann ich Muster ableiten, was genau die Herausforderungen von Ehepaaren sind. Dann Ideen entwickeln, welche Geschichte ihnen gut tun würden – und diese in Form eines heilsamen Films erzählen. Aber Stoffe so zu entwickeln ist noch nicht üblich.
In der Industrie schon. Da finden die Meinungsforscher heraus „Frauen mit dünnen Haaren hätten gerne mehr Volumen“. Und die Produktentwickler überlegen sich, wie sie für dieses Problem ein Produkt wie zum Beispiel einen speziellen Lockenstab maßschneidern können.
Verstehen, Empathie, Synthese, Ideen, Prototyping, Testen
Im Design Thinking Workshop der d.school in Stanford
Es war ein ungeheuerliches Erlebnis zu sehen, wie produktiv kleine Teams werden, wenn sie mit der Design Thinking Methode arbeiten. In dem Workshop, den ich besuchen durfte, haben sich Teilnehmer verschiedener Firmen mit dem Thema „alt sein“ beschäftigt. Dazu gingen sie in Altenheime, haben mit den Seniorinnen und Senioren geredet und diese gefilmt, um ergebnisoffen herauszufinden „Was sind die Bedürfnisse von alten Menschen?“
„Was sind die Bedürfnisse von alten Menschen?“
Theoretisch hätte alles dabei herauskommen können. Die einzige Maßgabe war: „Beschäftige Dich mit alten Menschen.
Mit Empathie und Verständnis zur Lösung.
Eine in den Gesprächen wiederkehrende Herausforderung war, dass alte Menschen, die alleine wohnen und nicht mehr gut zu Fuß sind, häufig Rollatoren brauchen.
Wenn sie auf die Toilette gehen wollen, haben sie ein Problem mit der Tür, die ja einmal zum Körper hin aufgeht und damit eine Barriere darstellt. Die Frage war: Wie können wir diese Barriere wegbekommen?
Bei den Befragungen hat das Projektteam herausgefunden: Alte Menschen wohnen in der Regel in zwei bis drei Zimmer Wohnungen, haben also fünf bis sechs Türen, deren Bedienung sie bewerkstelligen müssen. Auch wenn manche Türen offenbleiben können – andere können es eben nicht. Also das Projektteam überlegt: Wie viel Geld haben die alten Menschen im Durchschnitt an Rente zur Verfügung? Sind sie Mieter oder gehört ihnen die Wohnung?
Wie schaffe ich ein Problem mit einer Lösung aus der Welt?
Am Ende haben sie herausgefunden, dass die Senioren bei dem, was sie an Rente haben, für einen Türöffnungsmechanismus nicht mehr als 100 $ ausgeben können. Wenn sie sterben oder umziehen, muss der Türöffnungsmechanismus einfach und bestenfalls rückstandslos abbaubar sein. Es war also klar: Löcher bohren und anschrauben kommt nicht in Frage. Es muss eine Lösung sein, bei der der Mechanismus geklebt wird.
So entstand ein sehr genaues Profil und das Team hat dann genau solch einen Mechanismus entwickelt und als Prototyp gebaut. Spannend ist, dass in der Gruppe nur ein Ingenieur war – ein anderes Mitglied war zum Beispiel Fußballspielerin. Aber bei Design Thinking geht es eben um mehr als die reine Funktion – es geht um die ganzheitliche Betrachtung eines Nutzens. Außen wie innen. Wie schaffe ich ein Problem mit einer Lösung aus der Welt?
Dieses „Entwicklungsdenken“, dieser Weg von der Frage zur Antwort, vom Mangel zur Lösung – das ist auch das Geheimnis das jede Geschichte präsentiert.
Design Thinking und Storytelling sind wie narrative Zwillinge. Nur dass beim Design Thinking Prinzip die Probleme im realen Leben praktisch gelöst werden. Und beim Storytelling eine Lösung, ein Gedankenspiel angeboten wird. Zwei Tools, die sich ideal ergänzen.
Die d.school in Stanford – Einblicke in die Räumlichkeiten
Leland Stanford hat die Stanford University gegründet, weil sein einziger Sohn gestorben ist. Sein Kind war so neugierig und interessiert, dass die Eröffnung einer Universität zu seinen Ehren eine tröstende und Hoffnung erweckende Aufgabe war.
Unterschiedlichen Welten gemeinsam an einem Ort
Stanford wurde als „Harvard des Westens“ geplant und besteht aus vielen kleinen Seminargebäuden im mexikanischen Stil. Die d.school ist im Zentrum des Kerncampus.
Die eine Hälfte des Gebäudes ist von Designern belegt, die andere Hälfte von Maschinenbauern. Inmitten des Erdgeschosses befindet sich eine Halle, die beide Teile verbindet und in der man sich begegnen kann.
Hier treffen die unterschiedlichen Welten im öffentlichen Raum aufeinander – bei Events, Vorträgen und Präsentationen.
Drumherum sind lauter multifunktionale Räume angeordnet, die ständig neu belegt werden. Morgens macht eine Gruppe Yoga, eine Stunde später ist ein Design Thinking Workshop, dann findet eine Vorlesung statt.
Im ersten Stock ist der Arbeitsbereich mit den flexibel einsetzbaren Wänden. Denn die Idee beim Design Thinking ist: Du hast einen flexiblen Raum, wo Du einen Workshop machen kannst – aber auch zehn Workshops gleichzeitig. Damit Du den Raum aufteilen kannst, damit er mal größer und mal kleiner ist, brauchst Du flexible Trennwände. Deshalb ist an der Decke ein Schienensystem installiert, um die Räume jederzeit nach Bedarf unterteilen zu können. Die Trennwände lagern stehend in speziellen Wägen und können einfach zum Aufhängungsort gefahren werden.
Jeder Raum ist wie eine kleine Bühne, auf der nur ein Problem gelöst wird. Daran arbeiten alle kooperativ im Stehen, an Stehtischen. An die flexiblen Wände kleben die Teilnehmer bunte Zettel, die farblich sortiert werden – immer von Hand geschrieben. Diese händische Zusammenarbeit an Whiteboards, mit abwischbaren Stiften und Post its macht Spaß und entzündet die Kreativität.
Kreativität statt Materialismus
Es soll alles nicht viel Geld kosten, damit die Teams nicht aus Respekt vor dem Material ihre Ideen unterdrücken. Die Materialien sollen einfach da sein und genutzt werden, um die Probleme zu lösen – und nicht als wertvolles Gut wahrgenommen werden, das man besser nicht anfasst.
In der d.school wird alles dafür getan, einen provisorischen Workshopcharakter zu vermitteln. So trauen sich die Teams, Dummmies und Prototypen aus einfachen Mitteln zu bauen, die nicht schön sein müssen.
Ganz wichtig, damit die Funktionalität der d.school Räumlichkeiten immer erhalten bleibt, sind die Floorplans. Auf ihnen ist der Ruhezustand des Raumes festgehalten. Grundrisse mit genauen Angaben, wo was hingehört und wie der Raum verlassen werden muss.
Denn auch, wenn in den Workshops die Räume auf jede mögliche Art genutzt werden und die Teams alles durcheinanderwirbeln dürfen: am Ende muss alles wieder genau wie auf dem Floorplan angeordnet werden.
So bleibt auch die Energie und der Nutzen der Räume voll erhalten und kann dem nächsten Team bei seinen Herausforderungen die volle Unterstützung bieten.