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Uwe Walter Babelsberg Studios

Meine Zeit im Studio Babelsberg

Studio Tour Babelsberg Uwe Walter
Uwe Walter Babelsberg Studios

Meine Zeit im Studio Babelsberg

Als ich 1988 mit meinem Studium für „Film- und Fernsehspiel“ startete, ging für mich ein absoluter Traum in Erfüllung. An der Hochschule für Film und Fernsehen in München Regie zu studieren – das war mein Ziel gewesen. Dass ich die Hochschule aber bereits im Jahr 1992 und zwar erstmal ohne Abschluss verlassen würde, damit hätte ich nie gerechnet. Aber: es gibt halt Chancen, die sich nur einmal im Leben bieten. Und bei denen man zugreifen muss.

Der renommierte Regisseur und Oskargewinner Volker Schlöndorff war nach dem Mauerfall 1989 mit der historischen Aufgabe betraut worden, das ehemalige UFA und dann DEFA Filmstudio in Potsdam zu neuen Ehren zu führen und „den deutschen Film zu retten“.

Wie im Leben manchmal eins zum anderen kommt, weiß man oft gar nicht. Tatsache war, dass ich Volker von dem Regisseur Anno Saul empfohlen wurde, als er einen persönlichen Assistent suchte. Und so zog ich im Herbst 1992 nach Berlin und startete am 2. November im Filmstudio Babelsberg.

2018 kehrte ich übrigens mit meiner Frau und meinen Kindern für eine private Führung dorthin zurück – ein paar Eindrücke von diesem Tag seht ihr im Video:

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Ich wurde Assistent von Volker Schlöndorff im Studio Babelsberg

Meine Aufgabe in Babelsberg bestand darin, Volker in allem zu unterstützen, oft auch in der Rolle des Junior Producers. Ich las über 2000 Drehbücher, um diese auf ihre Storyqualität und ihre Tauglichkeit zur Verfilmung zu prüfen. Gleichzeitig gab ich eine Einschätzung ab, ob wir mit in die Finanzierung eines Filmes, einer Geschichte reingehen sollten – die sogenannte „Co-Produktions-Prüfung“. Ich bereitete Besprechungen vor und nach und machte eben alles, was ein Assistent so macht.

Lunch mit Regielegenden, Studiotouren mit Don Johnson und Hugh Grant – die Erlebnisse in Babelsberg bleiben unvergessen.

In meinen zwei Jahren in Babelsberg – denn danach ging ich an die HFF zurück und beendete mein Studium – hatte ich viele unvergessliche Erlebnisse. Manchmal einfach im Berufsalltag, weil wir immer an spannenden Projekten arbeiteten. Aber auch bei den VIP Führungen über unser Gelände, für die ich verantwortlich war.

Ich habe mit Regielegenden wie Francis Ford Coppola und Louis Malle zu Mittag gegessen und Billy Wilder die Studios gezeigt, genauso wie den Hollywood Stars Don Johnson und Hugh Grant. Habe Volker Schlöndorff beim Filmfest in Cannes vertreten und dort Regisseure wie Jean-Pierre Jeunet (Die fabelhafte Welt der Amélie) und Stephen Frears (Gefährliche Liebschaften) getroffen. Immer mit der Aufgabe, sie für Drehs in „unseren“ Studios zu begeistern.

Genauso habe ich ganz leise Momente gehabt, mit bereits verstorbenen deutschen Schauspielern und Regisseuren wie Manfred Krug, Ulrich Mühe und Horst Wendtland. Menschliche Begegnungen, die mich geprägt haben und die ich immer als Schatz in meinem Herzen tragen werde.

Noch eine kleine Anekdote zum Schluss:

Als ich nach Berlin kam, hatte ich natürlich kaum Geld, denn ich war ja eigentlich mitten im Studium. Weil das Filmstudio in Postdam knapp eine halbe Stunde Fahrzeit entfernt lag, hatte ich einen alten Kadett, der mich relativ zuverlässig von A nach B brachte – aber natürlich in diese neue schicke Welt, in der ich mich bewegte, überhaupt nicht reinpasste.

Volker Schlöndorff hatte damals einen Fahrer, der ihn in einem Mercedes umherkutschierte. Privat fuhr Volker einen Jaguar, den der Schriftsteller Max Frisch ihm geschenkt hatte, weil er Volkers Arbeit so schätzte. 

Als Volker eines Abends meinte „Bringst Du mich heute nach Charlottenburg, dann haben wir noch Zeit zu reden?“ rutschte mir kurz das Herz in die Hose. Denn die Beifahrertür meines alten Kadetts hatte die Angewohnheit, leicht aus den Angeln zu fallen und danebenzuhängen, wenn man sie ganz öffnete. Und genau so passierte es dann auch. Volker öffnete die Tür, sie hing sich aus und er lachte und hing sie wortlos wieder ein. 

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Was macht eine Geschichte aus? Und welche Merkmale hat sie, an denen ich glasklar erkennen kann: Das hier ist eine Story! Ich habe eine der bewegendsten wahren Geschichten herausgesucht, die ich je gehört habe. Gemeinsam werden wir diese anhand der Story Checklist (am Ende des Posts auch zum Download!) analysieren.

Was ist passiert?

Als Desireé Rodriguez 1986 als 9-jährige von zwei Fischern aus dem Pazifik gerettet wird, ist sie die einzige Überlebende eines Schiffsunglücks, bei dem ihr Vater, ihre Mutter, ihre Tante, ihr Onkel und ihre Schwester vor ihren Augen sterben.

All die Jahre haben sich die Retter Paul Strasse und Mark Pisano, gefragt, was aus dem kleinen Mädchen geworden ist. Aber ihre Versuche, Desireé aufzuspüren, blieben erfolglos.

Dass es doch zu einer Wiedervereinigung kommt, liegt an dem Podcast „Friedmann Adventures“, in dem Philip Friedman mit Fischern eigentlich über Boote und Fischfang spricht – und in dem auch die beiden Retter ihre Geschichte erzählen. Ein Arbeitskollege von Desireè hört die Episode und es entsteht ein Plan zur Wiedervereinigung. 

Desireé soll mit den Fischern gemeinsam in den Podcast kommen – und gibt sich dafür als Raquel aus. Sie spielt eine Übersetzerin, die die Geschichte der Fischer im spanischen TV erzählen wird. 

Ab Minute 9:30 seht ihr den Moment, in dem die Retter begreifen, dass nicht Raquel, sondern Desireé vor ihnen sitzt. Und JETZT beginnt auch die eigentliche Geschichte, denn Desireé erzählt, was damals genau passiert ist.

Die Geschichte hat ALLES, was eine Geschichte haben muss. Mir haben sich mehrfach die Haare aufgestellt. Diese Geschichte betrifft mich, auch wenn ich die Beteiligten nie kennenlernen werde. Sie macht etwas mit mir, ich lerne viel und sie verändert mich.

Ich empfehle euch, das Video ab spätestens Minute 9:30 anzuschauen – und verspreche euch, dass sie sich auch in eurem Gedächtnis einbrennen wird.

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Hier einmal die ausgefüllte Story Checklist:

Durchlebe ich ein spannendes Handlungsgeschehen?

Eindeutig: ja. Vor allem, da Desireé sehr präsentisch erzählt und ich als Zuhörer nicht weiß, was als nächstes passiert. Es ist, als wäre ich live während der Geschehnisse dabei.

Lerne ich eine nützliche Lektion?

Mehrere. Dass es überlebenswichtig ist, eine Rettungsweste zu tragen. Übergewicht bei Kälte im Wasser schützt. Es Sinn macht, in solch einer Situation beim Schiffswrack zu bleiben, weil das größer ist und einfacher auszumachen. Dass ich eine Leiche an ein Boot binden kann, damit sie nicht wegschwimmt. Dass ich nach extremer Unterkühlung vorsichtig sein muss, wenn ich die unterkühlte Person aufzuwärmen versuche – und schon warmes Wasser sich wie eine Verbrennung anfühlen kann. Auch der „Mind over matter“ Hinweis, den Desireé in einem anderen Zusammenhang gibt, scheint dieser Geschichte zu entspringen.

Identifiziere ich mich?

Ja – ich fiebere mit Desireé mit. Aber ich kann mich auch mit anderen Personen identifizieren. Mit dem Vater, der wegschwimmt. Der Tante, die versucht die kleine Desireé abzulenken und ihr ein Gefühl von Hoffnung zu vermitteln. Und natürlich spüre ich auch die Emotionen der Fischer, die sich 35 Jahre lang gefragt haben, was an diesem Tag genau passiert ist und was aus dem Mädchen geworden ist.

Reflektiere ich meine persönliche Geschichte

Es geht gar nicht anders. Ich stelle mir vor, was ich gemacht hätte. Und ich sehe meine Mutter, meine Tante sterben und meinen Onkel wegschwimmen.

Werde ich besser fürs Leben gerüstet?

Sowohl die praktischen Aspekte der Geschichte geben mir Rüstzeug. Als auch das Wissen, dass solch ein Unglück – physisch und psychisch – überlebbar ist.

Erlebe ich Zugehörigkeit, Rangordnung, Ausgestoßensein

Schon in den Verhaltensweisen „Der Vater schwimmt los, um Hilfe zu holen“ und „ Der Onkel gibt auf“ erlebe ich eine Rangordnung. Zugehörigkeit spüre ich besonders in den verbindenden, liebevollen Momenten zwischen der Tante und Desireé. Im Hinweis, die Mutter festzubinden, damit sie nicht wegschwimmt, sondern bei ihnen bleibt. Oder im halluzinierenden Lachen und der Vorstellung, unter warme Decken kriechen und Room Service bestellen zu können, wenn das Ganze vorbei ist.

Erlebe ich gespannt, wie man durch Widerstände wächst?

In diesem Fall vielleicht eher: wie man trotz widriger Umstände überlebt. Natürlich musste Desireé über sich hinauswachsen, um diese Situation zu überleben. Aber an der Art, wie sie diese Geschichte erzählt – eher ablauf- und faktenorientiert – merke ich auch: da sind viele Dinge nicht verarbeitet. 

Verändert die Geschichte mein Weltbild?

Ich habe vorher nie wirklich darüber nachgedacht, wie solch ein Schiffsunglück im kleinen Rahmen vonstatten geht. Wir alle kennen die monumentalen Szenen aus dem Film Titanic. Aber fast wie in einem Bühnenstück erzählt zu bekommen, wie einer nach dem anderen seine Todesart wählt oder von ihr eingeholt wird, ist schockierend und faszinierend zugleich. Mich hat am meisten bewegt, dass auch im Tod der Charakter erkennbar ist.

Werde ich emotional geprägt?

Ich hatte Gänsehaut und Tränen in den Augen.

Erfahre ich Rückkehr in die Ganzheit?

Insofern, als dass dieses spezielle Video ja von der Zusammenführung handelt und die Beteiligten sich endlich die Fragen stellen können, die sie immer bewegt haben. So bekommt das Ganze auch für mich eine Geschlossenheit.

Story Checklist:

Hier findet ihr die Story Checkliste zum Download – um sie in Zukunft immer parat zu haben, wenn ihr einen Stoff entwickelt oder die Qualität eines Textes, eines Films oder eines Podcasts gegenchecken wollt.

Download Story Checklist: hier klicken.

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